HiFiMAN HE-R9 Review: Wenn Bass auf Budget trifft

Der HiFi­MAN HE-R9 ist ein geschlos­se­ner, dyna­mi­scher Over-Ear-Kopf­hö­rer, der ursprüng­lich für 599 USD auf den Markt kam, mitt­ler­wei­le aber für deut­lich unter 150 Euro zu haben ist. Nach inten­si­vem Test­ing mit ver­schie­de­nen Quel­len von Fosi K7 bis Bur­son Con­duc­tor GT4 zeigt sich: Die­ser Kopf­hö­rer ist eine wil­de Fahrt durch bas­si­ge Sound­land­schaf­ten – mit allen Höhen und Tie­fen, die das mit sich bringt. War­um HiFi­MAN aus­ge­rech­net die­sen pola­ri­sie­ren­den Kopf­hö­rer als ers­ten unse­rer Koope­ra­ti­on schickt, bleibt ein Rät­sel – viel­leicht wol­len sie uns direkt mal rich­tig testen.

Dis­clai­mer: Der HE-R9 wur­de uns von Hifi­man kos­ten­los zur Ver­fü­gung gestellt — wie immer gibt’s hier die unge­schön­te Wahr­heit, kein Honig ums Maul geschmiert. horror-news.com bleibt unab­hän­gig, wir haben kei­ne Affi­lia­te-Links oder sons­ti­gen krum­men Deals. Trotz­dem vie­len Dank an Hifi­man für das Vertrauen! 

Technische Spezifikationen

Der HE-R9 kommt mit beein­dru­cken­den Papier-Specs daher, die auf den ers­ten Blick durch­aus viel­ver­spre­chend aussehen:

Trei­ber: 50mm dyna­mi­scher Trei­ber mit Topo­lo­gy-Dia­phrag­ma
Fre­quenz­gang: 15 Hz — 35 kHz
Impe­danz: 32Ω (man­che Quel­len spre­chen von 60Ω)
Emp­find­lich­keit: 100 dB/mW
Gewicht: 328g (ohne Kabel)
Bau­wei­se: Geschlos­sen, Over-Ear
Anschluss: Dual 3,5mm TRS zu den Kopf­hö­rern, 3,5mm TRS mit 6,35mm Adap­ter
Beson­der­heit: Kom­pa­ti­bel mit HiFi­MAN Bluemi­ni R2R Modul für wire­less Betrieb
Garan­tie: Ein Jahr Stan­dard plus drei zusätz­li­che Mona­te bei Produktregistrierung

Die tech­ni­schen Daten ver­spre­chen eini­ges: Der wei­te Fre­quenz­gang bis 35 kHz soll für kris­tall­kla­re Höhen sor­gen, wäh­rend die nied­ri­ge Impe­danz von 32Ω den Kopf­hö­rer auch an schwä­che­ren Quel­len wie Smart­phones betreib­bar macht. Die Topo­lo­gy-Dia­phrag­ma-Tech­no­lo­gie mit Nano­par­ti­keln soll für natür­li­chen Klang und hohe Detail­treue sorgen.

Lieferumfang und Unboxing

Das Unboxing-Erleb­nis des HE-R9 ist typisch HiFi­MAN: funk­tio­nal, aber ohne gro­ßen Schnick­schnack. Die schlich­te Kar­ton­ver­pa­ckung öff­net sich und gibt den Blick auf die in Schaum­stoff gebet­te­ten Kopf­hö­rer frei. Der ers­te Ein­druck? Die rot­brau­nen, fast metal­lisch glän­zen­den Ohr­mu­scheln fal­len sofort ins Auge und erin­nern stark an den legen­dä­ren Fos­tex TH-900 – zumin­dest farblich.

Der Lieferumfang umfasst:

  • HiFi­MAN HE-R9 Kopfhörer
  • Y‑Kabel mit dop­pel­ten 3,5mm Klin­ken­ste­ckern an den Kopf­hö­rern und ein­fa­chem 3,5mm Ste­cker am ande­ren Ende (ca. 1,6m)
  • 3,5mm auf 6,35mm Adapter
  • Pro­dukt­do­ku­men­ta­ti­on und Garantiekarte

Was fehlt? Eine Tasche oder ein Case wäre bei die­sem Preis­seg­ment wün­schens­wert gewe­sen, beson­ders da der Kopf­hö­rer auch wire­less betrie­ben wer­den kann. Für den aktu­el­len Stra­ßen­preis von rund 100–150 Euro geht der Lie­fer­um­fang aber in Ordnung.

Design und Verarbeitung

Beim Design schei­den sich die Geis­ter. Die gro­ßen, rot­brau­nen Ohr­mu­scheln aus Kunst­stoff sind defi­ni­tiv ein Hin­gu­cker – ob im posi­ti­ven oder nega­ti­ven Sin­ne, bleibt Geschmacks­sa­che. Die Form erin­nert stark an den legen­dä­ren Sony MDR-R10, dem die­ser Kopf­hö­rer Tri­but zol­len soll. Aller­dings wirkt das Plas­tik etwas bil­lig und dünn, beson­ders im Ver­gleich zu den teu­re­ren HE-R10-Model­len mit ihren Holz-Ohrmuscheln.

Der Kopf­bü­gel folgt HiFi­MANs bewähr­tem Design mit Memo­ry-Foam-Pols­te­rung und Kunst­le­der-Bezug. Das gerin­ge Gewicht von nur 328g macht sich posi­tiv bemerk­bar – der Kopf­hö­rer sitzt wie eine Feder auf dem Kopf. Aller­dings ist die Anpress­kraft eher schwach, was bei man­chen Köp­fen zu Sitz­pro­ble­men füh­ren kann. Die abnehm­ba­ren Velours-Ohr­pols­ter sind ange­nehm und bie­ten aus­rei­chend Platz für gro­ße Ohren.

Besondere Design-Features:

  • Dual-Ent­ry-Sys­tem: Bei­de Ohr­mu­scheln haben 3,5mm-Anschlüsse
  • Kom­pa­ti­bi­li­tät mit Bluemi­ni R2R für wire­less Betrieb
  • Gro­ße Ohr­mu­scheln für erwei­ter­te Akustik-Kammer
  • Abnehm­ba­re Ohrpolster

Klangcharakter und Sound-Analyse

Hier wird’s inter­es­sant – und kon­tro­vers. Der HE-R9 ist defi­ni­tiv kein neu­tra­ler Moni­tor-Kopf­hö­rer, son­dern ein Bass-Mons­ter mit eigen­wil­li­ger Abstim­mung. Bei unse­rem aus­gie­bi­gen Test mit der Qobuz-Refe­renz-Play­list, die von Behe­mo­ths “Blow Your Trumpets Gabri­el” über Lor­na Shores epi­sche “Pain Remains”-Trilogie bis hin zu Radio­heads “Creep” reicht, zeig­ten sich sowohl die Stär­ken als auch die Schwä­chen die­ses pola­ri­sie­ren­den Kopfhörers.

Bass: Quantität über Qualität

Der Bass ist das domi­nan­te Ele­ment des HE-R9 – und das ist sowohl Fluch als auch Segen. Mit einem Anstieg von etwa 9 dB im Bereich von 50–60 Hz gegen­über den Mit­ten lie­fert der Kopf­hö­rer ordent­lich Wumms. Bei Tracks wie “To the Hell­fi­re” von Lor­na Shore kommt die Macht der tie­fen Fre­quen­zen voll zur Gel­tung, aller­dings auf Kos­ten der Prä­zi­si­on. Der Bass ist eher “boo­my” als kon­trol­liert und ten­diert dazu, in die Mit­ten hineinzubluten.

Für elek­tro­ni­sche Musik ist die­se Abstim­mung pro­ble­ma­tisch, bei Rock und Metal kann sie durch­aus funk­tio­nie­ren. “Bombtrack” von Rage Against The Machi­ne pro­fi­tiert von der Bass-Beto­nung, wäh­rend fili­gra­ne­re Pas­sa­gen in “Honey­comb” von Deaf­he­a­ven in der Bass-Domi­nanz untergehen.

Mitten: Maskiert und zurückhaltend

Die Mit­ten lei­den unter der Bass-Domi­nanz und wir­ken mas­kiert. Beson­ders pro­ble­ma­tisch ist ein Ein­bruch um 400 Hz, der zu einer unna­tür­li­chen Klang­far­be führt. Vocals von Manu­el Gagneux in “Fire­wa­ke” oder “Death to the Holy” wir­ken zurück­hal­tend und ver­lie­ren an Prä­senz. Die obe­ren Mit­ten zei­gen eine rezes­si­ve Cha­rak­te­ris­tik, was zu einem ins­ge­samt war­men, aber auch dump­fen Klang­ein­druck führt.

Höhen: Scharf und metallisch

Die Höhen des HE-R9 sind ein zwei­schnei­di­ges Schwert. Wäh­rend die Topo­lo­gy-Dia­phrag­ma-Tech­no­lo­gie theo­re­tisch für sau­be­re Höhen bis 35 kHz sor­gen soll, zeigt sich in der Pra­xis ein eher har­tes, teil­wei­se metal­li­sches Höhen­spek­trum. Bei “Creep” wer­den die Cym­bal-Cra­s­hes zu scharf, weib­li­che Stim­men bekom­men einen metal­li­schen Bei­geschmack. Die Detail­auf­lö­sung ist okay, aber die Prä­sen­ta­ti­on zu aggres­siv für län­ge­res ent­spann­tes Hören.

Soundstage und Imaging

Trotz der gro­ßen Ohr­mu­scheln bleibt die Sound­s­ta­ge über­ra­schend intim und kom­pakt. Das Ima­ging wirkt eher wie “zwei Boxen am Kopf” mit einem schma­len Mit­ten­be­reich. Bei kom­ple­xen Arran­ge­ments wie “Por­trait of a Head­less Man” von Sep­tic­f­le­sh fehlt es an räum­li­cher Tie­fe und Instrumententrennung.

Test-Setup und Kombinationen

Für den umfang­rei­chen Test kamen ver­schie­de­ne Quel­len zum Einsatz:

Fosi K7 (Test): Der güns­ti­ge Amp bringt den HE-R9 pro­blem­los auf Zim­mer­laut­stär­ke, kann aber die Schwä­chen nicht kaschie­ren. Die Bass-Domi­nanz bleibt bestehen, die Mit­ten wir­ken wei­ter­hin maskiert.

Bur­son Play­mate 3 (Test): Mit dem hoch­wer­ti­gen Bur­son-DAC/Amp zeigt sich eine leich­te Ver­bes­se­rung in der Kon­trol­le, beson­ders im Bass. Die Gesamt­cha­rak­te­ris­tik bleibt aber unverändert.

Bur­son Con­duc­tor GT4: Auch der Flagg­schiff-Amp von Bur­son kann die grund­le­gen­den Abstim­mungs­pro­ble­me nicht lösen. Zwar wird der Bass etwas kon­trol­lier­ter, aber die unaus­ge­wo­ge­ne Signa­tur bleibt.

Leh­mann Audio Line­ar II: Tja, er heißt nicht ohne­hin Line­ar und gibt bru­tal wie­der was ihm ent­ge­gen­ge­bracht wird. Lei­der ist das dem Kopf­hö­rer nicht zuträg­lich und so kann auch ein hoch­ge­lob­ter Kopf­hö­rer­ver­stär­ker nichts am All­ge­mein­bild ändern.

Shan­ling M5 Ultra (Test): Am DAP zeigt sich die ein­fa­che Ansteu­er­bar­keit des HE-R9. Bereits mode­ra­te Laut­stär­ken rei­chen aus, die Klang­pro­ble­me blei­ben aber bestehen, bzw. wer­den durch die bass­las­ti­ge­re Abstim­mung des M5 Ultra nur noch verstärkt.

ddhi­fi TC44Pro: Der USB-C-Don­gle lie­fert aus­rei­chend Power, kann aber eben­falls kei­ne Wun­der bewirken.

Bluemini R2R Modul

Ein inter­es­san­tes Fea­ture ist die Kom­pa­ti­bi­li­tät mit HiFi­MANs Bluemi­ni R2R Modul. Die­ses ver­wan­delt den kabel­ge­bun­de­nen Kopf­hö­rer in ein wire­less Sys­tem mit LDAC, aptX-HD und ande­ren High-Res-Codecs. Aller­dings gibt es Berich­te über Rausch­pro­ble­me und feh­len­de iOS-Kom­pa­ti­bi­li­tät. Für zusätz­li­che 150–200 Euro eine net­te Opti­on, aber kein Game-Changer.

Preis-Leistung: Von Frechheit zu akzeptabel

Hier liegt wohl der Schlüs­sel zum Ver­ständ­nis des HE-R9. Zum ursprüng­li­chen Preis von 599 USD war die­ser Kopf­hö­rer schlicht­weg eine Frech­heit – die Abstim­mung recht­fer­tigt die­sen Preis in kei­ner Wei­se. Bei den aktu­el­len Stra­ßen­prei­sen von 100–150 Euro sieht die Sache anders aus. Für Bass-Heads, die auf Quan­ti­tät statt Qua­li­tät ste­hen, kann der HE-R9 durch­aus inter­es­sant sein.

Fazit: Polarisierender Bass-Bomber

Der HiFi­MAN HE-R9 ist ein pola­ri­sie­ren­der Kopf­hö­rer, der eine sehr spe­zi­fi­sche Ziel­grup­pe anspricht. Die extre­me Bass-Beto­nung macht ihn für Neu­tra­li­täts-Lieb­ha­ber unge­eig­net, kann aber für bestimm­te Gen­res und Geschmä­cker durch­aus reiz­voll sein. Die Ver­ar­bei­tung ist soli­de, wenn auch nicht über­ra­gend, das Design Geschmackssache.

War­um HiFi­MAN aus­ge­rech­net die­sen Kopf­hö­rer als ers­ten unse­rer Koope­ra­ti­on schickt, bleibt rät­sel­haft. Viel­leicht wol­len sie tes­ten, ob wir ehr­lich sind – oder uns direkt ver­grau­len. Fest steht: Der HE-R9 ist kein schlech­ter Kopf­hö­rer, aber defi­ni­tiv ein sehr spe­zi­el­ler. Zum aktu­el­len Preis kann man ihm sei­ne Eigen­ar­ten eher ver­zei­hen als zum ursprüng­li­chen UVP.

Klang­qua­li­tät
6
Tra­ge­kom­fort
8
Ver­ar­bei­tung
6
Lie­fer­um­fang
6
Design
6
Viel­sei­tig­keit
4
Preis-Leis­tung
7
Tech­ni­sche Eigenschaften
6
Pro’s
Sehr leicht und kom­for­ta­bel (328g)
Ein­fach anzu­steu­ern (32Ω)
Kraft­vol­ler, tie­fer Bass
Gute Iso­la­ti­on durch geschlos­se­ne Bauweise
Bluemi­ni-Kom­pa­ti­bi­li­tät für wire­less Betrieb
Aktu­ell sehr güns­ti­ger Preis
Abnehm­ba­res Kabel-System
Con’s
Extre­me Bass-Domi­nanz mas­kiert Mitten
Metal­li­sche, schar­fe Höhen
Schma­le, inti­me Soundstage
Plas­tik-Ver­ar­bei­tung wirkt billig
Schwa­che Anpresskraft
Kein Case/Tasche im Lieferumfang
Sehr spe­zi­el­le, unaus­ge­wo­ge­ne Abstimmung
6.1
deca­yed sho­cker points
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